Die Leute am Hafen warten, haben Sehnsucht nach der Ankunft des Schiffes. Sie können es kaum erwarten. Das Schiff kommt von weit her, an Bord hat es seltene, kostbare Waren wie Getreide und Gewürze. Auch lange ersehnte Menschen bringt es mit, Briefe und Nachrichten. Es überwindet weite Distanzen, verbindet die ferne Welt mit der eigenen. Wind und Wetter und mancherlei Gefahren hat es getrotzt, um sein Ziel zu erreichen.
In diesem Jahr wurde in den Radiostationen ein Lied hoch und runter gespielt: das neuseeländische Seefahrer-Lied «Wellerman». Ein schottischer Postbote hatte auf der Video-Plattform «TikTok» im Internet sei-ne eigene Version daraus gemacht und landete damit in den Charts. Tausende andere Menschen liessen sich davon inspirieren und interpretierten den Song auf ihre eigene Art.
Arbeiter singen ihn im Original bei ihrer Arbeit auf den Walfangstationen. Sie sehnen sich nach dem Versorgungsschiff, das ihnen Zucker, Tee und Rum bringen soll. Mit dem Lied vertreiben sie sich ihre Zeit, erle-ben durch den Gesang Gemeinschaft, lenken sich ab vom Eingesperrtsein und der harten Arbeit. Voller Schwung drücken sie ihre Hoffnung aus: Mit dem Schiff kommen neuer Mut und eine Ration Lebensmittel zum Durchhalten. Ihre Situation wird sich bald verändern: Wenn die Arbeit getan ist, ja dann werden sie weggehen! Auch wenn sie irgendwo wissen, dass das noch dauern kann, sie lassen es sich nicht nehmen und singen.
Genauso hartnäckig, sehnsuchtsvoll und verwegen ist die Hoffnung der Christinnen und Christen. «Es kommt ein Schiff geladen», heisst ein altes Adventslied. Wir bereiten uns auf die Ankunft eines besonderen Schiffes vor. Gott schickt das Beste und Nächste von sich, was er hat: seinen Sohn Jesus. Gottes Liebe gibt den nötigen Schwung, bläst mit starkem Wind in die Segel, damit das Schiff bei uns im Hafen landen kann.
Die Ladung ist unscheinbar, hat es aber in sich: ein Kind, das Frieden und Freiheit bringt. Mit dieser sichtbaren Zuneigung Gottes überstehen wir auch schwere Zeiten, selbst wenn wir wissen, dass wir noch lange durchhalten müssen. So spricht das Adventslied auch vom Leiden, das das Kind und auch die Menschen, die ihm nahe sein wollen, ertragen müssen. Das ist kein Weihnachtskitsch, sondern Lebenswirklichkeit. Doch das Hoffnungsschiff ist schon gestartet. Bald, bald kommt es an. Bis dahin singen wir und trösten uns damit wie die Seeleute, die auf ihre lebensnötige Versorgung warten. Stärken wir uns mit Proviant für unseren Weg.
(Pfrin. Manuela Schäfer, Berneck)